Seit Jahren backe ich unser Brot selber, ein Sauerteigbrot aus Weizen- und Roggenvollkornmehl. Das Einkaufen in der idyllisch gelegenen Draxmühle, die ausschliesslich regionales Getreide verarbeitet, ist genau so Teil des Rituals wie das Verstauen der Einkäufe: in der Küche wurde extra ein grosses bodennahes Fach für die schweren Mehltüten reserviert. Ich backe immer gegen Ende der Woche. Nach dem Hausputz kommt der Seelen“putz“ dran, ein Nachkommen und Nachdenken über die vergangene Woche ganz in Einsamkeit und Stille. Diese paar Stunden gönne ich mir bewusst. Dazu gehört: Brotteig ansetzen, Badewanne, Tagebuchschreiben. Und ich bin überzeugt, dass die Kombination aus (Aggressionsabbau durch) Teigkneten, Entspannen und Nachdenken im warmen Wasser, Gedanken ordnen und zu Papier bringen mir jahrelang den Psychoanalytiker erspart hat. Und es gibt nichts Schöneres, als sich innerlich aufgeräumt zu fühlen und zu schnuppern, wenn der Duft von frischgebackenem Brot langsam durchs Haus zieht.
Ein Kastenbrot reicht für uns beide eine Woche lang. Die ersten drei Tage schlage ich es in zwei Geschirrtücher ein, dann kommt es in eine Plastiktüte. Ob frisch oder schon ein paar Tage alt, ich mag es am liebsten getoastet. Und wenn wir mal im Hotel oder so frühstücken, stelle ich immer wieder fest: eine Scheibe vom selbstgebackenen Brot macht nachhaltiger satt als zwei weisse Semmeln.
Seit Jahren verwende ich das gleiche Rezept und habe auch nicht vor, es zu ändern – weil es einfach gut ist. Trotzdem war ich ganz gespannt, als Franziska mir erzählte, dass sie mit der Müllerin der Drax-Mühle zusammen ein Backbuch veröffentlichen wird. Erst wirkte es surreal. „Meine“ Mühle? „Meine“ Franziska? Ein Buch? Aber jetzt, mit dem fertigen und wunderschön bebilderten grossformatigen Band in der Hand, sehe ich: das war absolut nötig! Es ist wirklich ein Vergnügen, schon allein wegen der liebevoll inszenierten Fotos. Die Kuchenrezepte sind vielleicht nicht die aller-unbekanntesten, aber es ist eine wertvolle Sammlung von Altbewährtem. Man findet manche Klassiker, die man vielleicht auf einer Einladung schon geniessen durfte und gern nachbacken möchte. Was für mich wirklich spannend und auch voller Neuentdeckungen ist, ist das ausführliche Kapitel über Brot. Auch wenn meins schon gut schmeckt – hier werde ich sicher experimentieren. Und ich hatte keine Ahnung, dass man Pumpernickel selber backen kann und dass es suchterzeugend köstlich schmeckt!
Zusätzlich interessant und wichtig wird das Buch für Menschen, die sich genau über das, was sie zu sich nehmen, informieren wollen oder die durch Nahrungsunverträglichkeiten darauf angewiesen sind. Es gibt ausführliche Informationen zum Getreide inklusive einer schön bebilderten Kulturgeschichte. Ebenso erfährt man einiges über Alternativen zu Weizen. Hier war Franziska fleissig und hat ganze Arbeit geleistet – und es trotzdem geschafft, ihre ganz persönliche Note einzubringen. Ich war ja erstaunt und begeistert, wie poetisch ihr Reiseführer stellenweise ist. Ich hätte nicht gedacht, dass das beim Schreiben über Getreide auch möglich ist – aber sie schafft es. Wie mit zarten Pinselstrichen beschwört sie ein Bild vor unserem inneren Auge herauf, das noch lange nachwirkt. Wenn ich lese: „Vor hundert Jahren wogten zahlreiche Dinkelfelder rund um die Draxmühle im Wind.“, lasse ich das Buch sinken und denke an die vielen Fahrten zur Mühle, zu den verschiedensten Jahreszeiten, und wie schön das letzte Stück vor allem auf dem ungeteerten Schleichweg wird. Komme ins Träumen und freue mich, in so einer gesegneten Landschaft wohnen zu dürfen…
(Und Weihnachten? Wäre das nicht ein besonderes Geschenk?)
„Köstliches von der Müllerin“
Monika Drax & Franziska Lipp
Dort-Hagenhausen-Verlag, 19,95 Euro