Zu viel Weihnachten

Geplant war: ein schönes Festessen für die Familie am zweiten Weihnachtsfeiertag, ein opulentes Essen mit Freunden am Dreikönigstag mit Rezepten von der Titanic – weil danach alles vorbei ist und man lieber noch mal in Glanz und Gloria ein Fest feiert, als melancholisch und allein unter dem Christbaum zu sitzen. Dazwischen: viel Zeit zum Atemholen und Runterkommen nach einem ungewöhnlich arbeitsreichen Dezember. Vielleicht sogar Tage, an denen man lange schläft und danach nur lesend auf dem Sofa liegt.

Davor, am 22., wäre noch mein Schülerkonzert bei uns zuhause. 22 Schüler und danach ihre Eltern zum Tee und Lebkuchenessen – das ist der alljährliche Wahnsinn, nach dem das Erdgeschoss eine Grundreinigung braucht, aber darin hab ich schon Routine. Und danach hätte ich ja vermeintlich zwei Tage zum Ausspannen, bevor es weitergeht.

Das war der Plan.

Dann kam eine Silvester – Einladung, und kurz danach eine von neuen Freunden am 1. Januar um 13 Uhr, um das neue Jahr zu feiern. Dann unvermutet eine Kaffee – Einladung für den 2., und noch ungeplanter eine für den 4. Auch wenn Kaffee in München einen halben Tag Abwesenheit bedeutet – zu so netten Leuten will man nicht nein sagen, oder? Als ich nach meinem Schülerkonzert mit dem Staubsauger durchs Haus fegte, klingelte es: eine mir unbekannte Frau stellte sich als Mutter unseres jungen Nachbarn vor und erklärte, dass er nach einem lebensgefährlichen Unfall auf der Intensivstation in Salzburg liege und wir uns nicht wundern sollten, wenn sie hier aus und ein ging, sie sei jetzt über die Feiertage hier. Allein, fragte ich? Ja, dann solle sie doch den Heiligabend bei uns verbringen. Denn an Heiligabend allein sein mit solchen Sorgen – das muss ja nicht sein. Wieder im Haus betrachtete ich den Kater, der offensichtlich ein  halb aufgegessenes Vanillekipferl unter dem Sofa gefunden hatte und auf dem Teppich damit spielte. Was hatte ich da grade gemacht?! (Aber: es war fast die schönste Einladung, weil sie sehr still und intensiv war und wir uns richtig gut unterhalten konnten mit der Unbekannten).

Am 23. unterrichtete ich bis abends, schaffte es aber davor und danach, gefühlt unsere verschiedenen Läden leerzukaufen. Was für ein Getümmel! War ich froh, dass ich’s hinter mir hatte!

Dachte ich.

Denn am 24., drei Stunden vor Ladenschluss, rief der weihnachtsmuffelige Bruder an, der alle Einladungen strikt abgelehnt hatte, und erzählte eine phantasievolle Geschichte von einer Fliegerbombe ein paar Meter vor der Haustür und der Evakuierung der Augsburger Altstadt und noch so ein paar Märchen. Ich wollte sagen: sag doch einfach, dass euch langweilig ist und ihr nicht zum Einkaufen gekommen seid. Doch die Geschichte war so sorgfältig konstruiert, dass ich ihn  nicht enttäuschen wollte. Also fiel die Augsburger Verwandtschaft am 25. ein, inklusive zwei Vierbeinern. Hätte ich das gewusst, hätte ich garantiert nicht so sorgfältig geputzt – Hunde nach einem Winterspaziergang sind ein Kapitel für sich..

Kurzfassung: wir hatten vom 22. 12. bis 6. 1. sage und schreibe zehn Einladungen. So nett jede einzelne für sich war, so anstrengend war es letztlich. Aber ich war selber schuld: ich wollte grade zu dieser Jahreszeit aufgeschlossen und freundlich sein. Merkte aber danach: jedes „ja!“ zu einem anderen ist ein „nein“ zu mir selbst. Als dann nach Weihnachten der Schnee kam und ich immer wieder den Gehweg freischaufelte, dachte ich: so ist mein Leben jetzt. Ich schippe und schippe und schwitze, und dann schippe ich noch ein bisschen, um für zwei Stunden Durchblick zu haben. So waren der November und Dezember, als ich mich durch Berge von Arbeit und sehr viele Extrastunden schleppte, und so sind diese vermeintlichen Ferien, in denen ich nicht einen Mittagsschlaf halten konnte und mich fast täglich in Schale warf und auf den Weg zu einer Einladung machte.

Wo sind denn die Menschen, die immer bedauert werden, weil sie Weihnachten allein verbringen? Können wir bitte nächstes Jahr tauschen?!

Im Gegensatz zu früheren Weihnachten, die ich bewusst und leise zelebriert habe, habe ich dieses Jahr nur zwei Mal einen Funken von Ruhe und Frieden gespürt: einmal, als ich mit meiner Mutter nach einem Ausflug in der Dämmerung und dann Dunkelheit im Aran – Café in Tegernsee sass, direkt am dunklen See und mit Blick auf die Lichter am anderen Ufer. Und das andere Mal jetzt, als die Schule schon wieder begonnen hatte und eine kleine Schülerin, die auf ihre Stunde wartete, völlig versunken und fast hypnotisiert vor meiner kleinen Weihnachtspyramide kniete und ganz still den Bäumchen beim Drehen zuschaute. Das hat mich selber ruhig gemacht und ein bisschen vom Zauber des Fests zurückgebracht. Wahrscheinlich darf man nicht ständige Glückseligkeit erwarten, sondern sollte dankbar sein für solche geschenkten Momente, die letztlich die Essenz des Ganzen in sich tragen.

Es waren verrückte Weihnachten, aber im Januar werde ich gar nichts machen. Wirklich gar nichts. Ausser Unterrichten, Additumsprüfungen begleiten, Montagskonzert begleiten, für beides üben, was das Zeug hält – aber die Wochenenden sind für mich. Und für ein wunderbares neues Magazin, das Fluchtpläne für die nächsten Weihnachtsferien aufkeimen lässt…

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