Entspannt

Nach den anstrengendsten Weihnachtsferien überhaupt stehe ich am ersten Schultag mit meinem Kollegen vor den Klavierzimmern und merke, wie ich ruhiger werde, weil alles vertraut und vorhersehbar ist. Der schwarze Schiefer, der genialerweise als Bodenbelag für unsere Schule gewählt wurde, strotzt, wie immer im Winter, vor weissen Salzflecken und Salzlachen – nicht mein Problem, stelle ich entspannt fest. Gleich werden zwölf Kinder nacheinander zu mir kommen und mich mit Fragen bestürmen – aber ich muss keinen füttern, und wir tun nur Klavierspielen und sonst nichts, und sie kommen nach einem vorhersehbaren Zeitplan und vorhersehbar vorbereitet und vor allem: gehen auch wieder. Keine Überraschungen, keine Änderungen in letzter Minute – Mann, tut das gut, wieder in der Arbeit zu sein!

„Und, was hast du vor für heute, wie willst du anfangen?“

Ich muss nicht lang überlegen und sage spontan. „Entspannt.“

Matthias grinst bis über beide Ohren.

„Doch, echt, ganz entspannt. Ich entspanne jetzt hier ein bisschen bis halb sieben, und dann fahr ich gemütlich heim und entspanne da auf dem Sofa weiter.“

So eine Einstellung ist nicht gerade typisch für mich am ersten Schultag. Aber die ersten Tage des nagelneuen Jahrs waren schon so kräftezehrend – obwohl ich frei hatte und meistens zuhause war! – dass ich einsehen musste, dass es so nicht weitergehen kann. Wirklich nicht. Ich wundere mich selber, woher auf einmal diese neue Einstellung kommt. Wahrscheinlich war ich ein, zwei Mal zu knapp am Durchdrehen und es ist einfach eine Botschaft von ganz innen, dass ich so nicht durchs neue Jahr komme.

Deshalb, spontan und ohne viel Überlegen, mein Wort fürs neue Jahr: entspannt.

Mal sehen, welche Kräfte es freisetzen wird. Ich denke, viel mehr und belastbarere, als wenn ich so sinnlos weiterpowere wie im Herbst.

Der einzige, der an dem Tag durchdreht, ist mein Auto. Der Hausmeister ist offensichtlich nicht dazu gekommen, alle Parkplätze zu räumen und ich hab mich mittags mit einem etwas mulmigen Gefühl auf einen im Tiefschnee stellen müssen. Bin grade noch weggekommen, was gut ist, da ich wahrscheinlich die letzte in der Schule war und nicht gewusst hätte, wo ich wen zum Anschieben finde. Aber auch das hab ich (relativ) entspannt gemeistert. Unglaublich, wie sehr einen ein Tag mit sinnvoller Beschäftigung wieder erdet und beruhigt. Vielleicht läuft was falsch, wenn ich zum Entspannen in die Arbeit gehe – aber so ist es grade, und ich bin aufrichtig dankbar, dass ich jeden Tag wieder meine Mitte und innere Ruhe finden kann, indem ich einfach unterrichte.

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