Was passiert, wenn man zwei kleine Freundinnen, die erfahrungsgemäss schon immer zehn Minuten vor der Stunde da sind, mit einem leichten Klavierheft und der Auflage, dass jede ein Stück raussucht, vom Blatt spielt und mir später vorspielt, in ein Übezimmer schickt? Sie kommen wieder, quetschen sich wie selbstverständlich zu zweit auf den Klavierstuhl und spielen genau so selbstverständlich das Stück zu zweit – jede eine andere Hand. Ich habe erst den Impuls, gleich einzuschreiten, schaffe es aber glücklicherweise, ruhig zu sein und werde damit belohnt, dass sich vor meinen Ohren eine mustergültige, mit Spass gespielte Ensembleleistung entfaltet. Ich bin aufrichtig gerührt, dass es den beiden gar nicht in den Sinn kommen würde, sozusagen gegeneinander zu spielen, indem jede allein ein Stück raussucht, und ich ertappe mich dabei, dass ich anfange, selig zu grinsen wegen dieses völlig selbstverständlichen weiblichen Gleichklangs – bis eine rauskommt und die andere ungeduldig raunzt: „Mensch, spiel mal gescheid!“, was natürlich sofort in ein Kichern übergeht… Nachdem sie ihre Stücke wirklich gut präsentiert haben, sage ich, dass es eigentlich so gemeint war, dass jede ein Stück allein spielt. Sie schauen mich gross an und eine fragt: „Warum?“
Ich merke erstens: hier ist mein nächstes Klavierduo… und zweitens bin ich schon wieder gerührt, wie unverdorben von der Welt, vom Wettbewerbsgedanken, wie unschuldig und sozial eingestellt sie noch sind, obwohl sie schon sechs Jahre in diesem seltsamen System Schule stecken. Ich kann nur hoffen, dass sie sich dieses Bewusstsein bewahren: dass Zusammenmachen und zusammen lernen schöner und lohnender ist, als gegeneinander anzutreten. Die Chancen stehen gut, denn als ich abschliessend bemerke: „Ihr seid echte Freundinnen, oder?“ bejahen sie es grinsend, versuchen gleichzeitig, ihre Arme unterzuhaken und kippen dabei fast vom Klavierstuhl. Alles bestens also.