Zu unseren Sommerkonzerten im Juli hatten wir von kühlen Regenschauern bis subtopischer Hitze schon jedes mögliche Wetter. Zur Jugend-musiziert-Zeit Ende Januar hingegen ist es zuverlässig sehr kalt. Es hat meistens Schnee und, wie jetzt, tagelangen Dauerfrost. Die Strassen sind trocken und weiss vom Salz. Trotzdem will ich bei den vielen Gelegenheiten, bei denen ich jetzt im Auto sitze, nicht brettern: mittags sitzen manchmal Raubvögel auf der Strasse, die sich – aus Schwäche oder Kälte? – nur langsam erheben, und nachts fangen meine Scheinwerfer oft wunderschöne Füchse auf Futtersuche ein.
In den letzten acht Tagen hatten wir drei Extra-Konzerte für Jugend musiziert, damit die teilnehmenden Schüler am Samstag dann ganz gelassen sein können. Der Vorspielabend, den ich vorgestern im Gymnasium organisiert habe, war besonders schön. Nach dem Motto „Klasse statt Masse“ spielten nur sechs meiner Schüler, aber dafür richtig lang und richtig gut. Für mich sind solche Abende bei aller Anstrengung, die damit verbunden ist, der reinste Genuss. Es tut gut, dann einen Schritt zurückzutreten, nur Zuhörer zu sein und die Schüler aus einer anderen Perspektive zu sehen. (Fast hätte ich wieder „Kinder“ geschrieben, aber als mir eine Sechzehnjährige beim Konzert letzten Samstag zum ersten Mal im Abendkleid und mit schicken Schuhen entgegenkam, musste ich erkennen, dass sie nicht mehr nur auf dem Weg zum Erwachsensein ist, sondern fast angekommen.) Der Abend war so rundum schön, dass ich mir wieder dachte, was für ein Privileg es ist, solche Kinder zu kennen und mit ihnen Musik machen zu dürfen. Und wie schön es ist, dass es junge Menschen gibt, die sich ernsthaft und auf hohem Niveau mit einer Sache beschäftigen. Egal, was es ist – ich finde es immer schön, wenn jemand mit Herzblut dabei ist, egal, ob der Brezeln verkauft oder eine Chopin-Etüde spielt.
Die Rose habe ich von einer Klavierschülerin bekommen, die unabhängig vom Wettbewerb das Mendelssohn-Violinkonzert vorspielen wollte. Ich gab ihr Gelegenheit dazu und übernahm den Orchesterpart – dafür stand sie dann mit der Rose vor mir. Diese Geste und ihre lieben Worte freuen mich mehr als jedes dicke Honorar! Und so ein schönes Konzert zu spielen ist für mich auch ein willkommener Ausflug aus dem Alltag. Danach hatte ich das Gefühl, ich war ganz weit weg gewesen – in einem Traum oder auf einer Reise…
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Jugend-musiziert-Wetter bedeutet auch, dass uns täglich viele Vögel draussen am Futterplatz besuchen. Zu Bärlis Freude. Für ihn ist das wie Fernsehen. Die einzelnen Gäste werden auch ausgiebig kommentiert, aber nicht gejagt oder gegessen. Besonders mögen wir beide das herzige Rotkehlchen, und Bärli natürlich die diversen Meisen, weil sie so nett an ihren Knödelchen balancieren. Gestern froren wir aber beide vor Schreck ein, ich am Frühstückstisch, er am Boden vor der Tür, als wir uns zum ersten Mal Aug in Auge mit dem Kernbeißer sahen. Ich hatte schon immer Angst vor dem Kernbeißer. Als Kind sah ich ihn regelmässig am Futterhäuschen bei Oma und Opa und fand seinen Schnabel einfach gruselig. Und dann sein lateinischer Name im Vogelbuch – Coccothraustes coccothraustes, brrrr! Ich hoffe, dass diese Begegnung die erste und die letzte hier bleibt!
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Doch noch zu einem erfreulicheren Januarereignis: die beste Zeit für richtig reife und aromatische Orangen nutze ich aus, um Marmelade zu machen. Da die Früchte erst mal lang als ganzes gekocht werden, ist das Haus den ganzen Tag mit köstlichen Gerüchen erfüllt. Und vom vielen Schalenschneiden verströmen die Finger noch bei der abendlichen Bettlektüre einen zarten Orangenduft. Es gibt kaum was Schöneres an einem sonnigen, frostigen Tag, als die Süsse der Früchte auf diese Weise einzufangen. Und mit 26 Gläsern sind die Mitbringesl der nächsten Wochen gesichert!