Zehn Tage in Rom – das klingt so himmlisch, wie es auch war. Aber ich bin immer noch zu überwältigt, um drüber schreiben zu können. Seit fünfzehn Jahren ist Rom eins unserer liebsten Reiseziele, und die Eintragungen im dumont beweisen, dass die Liste der Sehenswürdigkeiten, die wir besucht haben, die der ungesehenen langsam übertrifft. Trotzdem kommt man jedes Mal völlig erschlagen wieder und denkt: gut, es war ein Anfang. So langsam nähern wir uns an.
Rom ist dermassen ausserhalb jeder Kategorie, dermassen gesegnet und übervoll mit auch räumlich gigantischen und überragenden Denkmälern, dass ich wieder das Gefühl habe, höchstens die Zehen in einen Ozean getaucht zu haben.
Da hilft nur: entspannt bleiben und sich freuen, dass man überhaupt dort war. Und nicht nur die Monumente in den Vordergrund stellen, sondern Rom als Zustand zu geniessen. Was wir auch ausführlich getan haben. (Wenn man öfter da war, wiegt man sich in Sicherheit und denkt: wir haben ja schon so viel gesehen. Wir sind gewissenhaft auf alle sieben Hügel spaziert, plus Pincio und Gianicolo. Haben die vier Hauptkirchen besucht und hätten die Chance auf diverse Ablässe gehabt, wenn wir entsprechend gebetet hätten (wäre im Rückblick vielleicht doch nicht verkehrt gewesen…!) Waren so oft wie möglich im Pantheon und haben Berninis Dafne zwei Mal besucht. Und die ersten fünf Tage vergehen mit ziellosem Schlendern, Gucken, Eisessen und an Brunnen sitzen. Bis doch mal jemand in den Kunstführer schaut und feststellt: da wäre ja noch… Und wenn wir schon dort sind, könnten wir auch… Die letzten beiden Tage kuliminierten in je acht Kirchenbesuchen, wobei wir noch mal unglaublich Schönes gesehen haben. Der geduldige Gatte aber irgendwann murrte: „mit dir muss ich in mehr Kirchen als mit meinem Vater…“)
Rom als Seinszustand im August, das ist genau so, wie man es sich vorstellt: das Leben findet ausschliesslich draussen statt, und man braucht auch um zehn Uhr abends noch kein Jäckchen (wir kamen oft am gleichen Thermometer einer Bank vorbei und es hatte 28 oder 29 Grad). Aperitivo und Abendessen nimmt man im Freien ein, entweder auf einer Piazza oder in einer der vielen Gassen ohne Autoverkehr, auf der die Tische mit Blumenkästen von den Passanten abgetrennt sind. Während des Essens wird der Himmel immer samtig dunkelblauer, und die Fledermäuse fangen an, um Kirchenkuppeln zu zischen. Man isst viel, regelmässig und kalorienreich und nimmt nicht zu, weil man ungezählte Kilometer am Tag zu Fuss geht. (Apropos Essen: wir wohnten hinter S.Andrea della Valle und waren vier Mal in der Pizzeria rechts von der Kirche essen. Man ist zwar umgeben von schreienden Italienern, aber das Essen ist vorzüglich. Schon beim zweiten Mal wurden wir mit grossem Hallo begrüsst, und das Trara steigerte sich bei jedem erneuten Auftauchen: grosses Händeschütteln, Schulterklopfen und lautstarke Begrüssungen von herbeilaufenden Kellnern, als hätten wir eingeheiratet…)
Rom im August bedeutet auch: die überquellenden Mülltonnen und die daneben abgestellten schwarzen Müllsäcke sind nicht nur eine optische Herausforderung. Die uneinheitlichen Öffnungszeiten machen einem öfter einen Strich durch die Rechnung: der protestantische Friedhof hat BIS 17 Uhr auf, Santo Stefano Rotondo AB 17 Uhr. Deshalb haben wir beides nicht gesehen. (Überhaupt: Mittagspause von 12 bis 17 Uhr?! Ich sag jetzt nichts…) Und bei allen Versuchen, sich entspannt an die südliche Lebensart anzunähern, geht es eines Tages doch auf den Geist, dass konsequent keine Busfahrpläne ausgehängt werden. Wenn vielleicht die Haltestelle in der prallen Sonne liegt und man etwas erledigt ist. Andererseits: die Freude über einen plötzlich auftauchenden Bus ist dann so gross, dass doch wieder alles okay ist. Und man sich dankbar reinquetscht.
Zu übrigens immer korrekt und stilvoll gekleideten Römern. Was einige Touristen liefern, kann man schon nicht mehr als modischen Fauxpas bezeichnen: es ist eigentlich eine Unhöflichkeit gegenüber den Bewohnern der Stadt. (Und davon abgesehen, können es sich höchstens zehn Prozent davon auch figürlich leisten, so viel nackte Haut zu zeigen. Und das ist in der Stadt der perfekt ausgewogenen Statuen mit Idealmassen eigentlich auch eine Frechheit!) Die Herrren tragen auch bei 35 Grad Anzug und Krawatte. Ein älterer, der wahrscheinlich keinem Beruf mehr nachgeht, setzte sich im Bus neben mich in langer grauer Anzughose (sah wirklich nach leichter Wolle aus), langärmeligen Hemd und mit einem dünnen graublauen Pulli um die Schultern (falls es abends auf frostige 29 Grad runterkühlt…). Und sah nicht aus, als ob es ihm zu warm wäre. Die Damen tragen häufig Kleider, auch mal bodenlang, und meistens mit Ärmeln. Also: man muss sich nicht alles vom Leib reissen, man hält das schon auch anders auch. Es trägt auf jeden Fall zur Verschönerung des Stadtbildes bei!
Meine Andenken an Rom: der weisse Abdruck der Sandalen auf meinen gebräunten Füssen. Wie viele Kilometer ich in diesen Sandalen gelaufen bin! Und: ich bin mit einer Handtasche losgefahren und mit zweien wiedergekommen. Was in Italien schon mal passieren kann. Besser, als mit gar keiner nach Hause zu kommen – was angeblich auch passiert in Italien.