Ausflug nach Kleinasien

Als wir in der Schule über Alexander den Grossen gesprochen haben, muss ich die ganze Zeit unter der Bank Schiffleversenken gespielt haben – bis auf den dummen Merkspruch zur Schlacht bei Issos verbinde ich nichts mit ihm. Letzten Winter hatte ich ja seltsame Gelüste, Agatha-Christie-artig auf dem Landweg nach Mesopotamien zu reisen und deswegen in der Bücherei Bildbände über die Gegend ausgeliehen. Und festgestellt, dass Persien auch ganz faszinierend ist. Die Ruinen von Persepolis haben mich besonders berührt, die Säulen mitten in der Wüste, die wunderbar feinen Reliefs… Und natürlich kommt man bei so einer Lektüre nicht am Namen dessen vorbei, der diese alte Königssstadt schon vor Jahrtausenden zerstört hat.

Kurioserweise hat der Lokschuppen Rosenheim jetzt eine grosse Ausstellung über diesen selbstbewussten und risikofreudigen Feldherrn konzipiert – ich weiss nicht genau, ob und welche Verbindung es von hier nach Kleinasien gibt… Alexander als Krieger und Landeroberer interessierte mich nicht so sehr. Und die Parallelen zu anderen grössenwahnsinnigen Machthabern des 20. Jahrhunderts sind zu beunruhigend.
Trotzdem wollte ich die Ausstellung sehen, da zahlreiche archäologische Fundstücke aus der Zeit angekündigt waren, zusammengetragen von Museen aus ganz Europa: München und Berlin ebenso wie Paris, das British Museum oder das Ashmolean in Oxford. Das alles an einem Ort betrachten zu können, rechtfertigt den happigen Eintrittspreis, bei dem ich erst schluckte – an der Ausgangstür, ganz erfüllt und gebannt von allem, was ich hatte sehen dürfen, dachte ich nur: unglaublich, das war es mindestens wert.

Ich bin einfach mehr als glücklich, wenn ich vor jahrtausendealten persischen Trinkgefässen stehe, wunderschönen Goldschmuck aus Babylon sehe und mich von winzigen Keilschrifttafeln oder Rollsiegeln nur eine Glasschicht trennt. Schon ein einziges solches Stück könnte mich völlig verzaubern wegen der Geschichten, die sich darum ranken. Und dann so eine Fülle! Und: ich bin vor so einem Relief aus Persepolis gestanden! Hier, eine halbe Stunde vor der Haustür! Was es natürlich auch in Hülle und Fülle gab, waren Helme, Rüstungsteile, Speerspitzen, bei denen mich wunderte, wie gut sie erhalten waren. Ein Ausschnitte aus dem Alexander-Film von Oliver Stone zeigte eindringlicher als jedes Geschichtsbuch und jede Vasenmalerei, wie unfassbar brutal die Kriegsführung mit Bogenschützen und Streitäxten im Nahkampf war (das kam mir vor wie im Klavierunterricht: eine halbe Minute vorspielen, eine halbe Minute Film hinterlässt einen bleibenderen Eindruck als viele Worte.)

Ein kleines Detail zu Alexander hab ich auch gelernt: er hat am gleichen Tag Geburtstag wie ich. Da sieht man mal wieder, dass an astrologischer Charakterdeutung nicht viel dran sein kann. Ausser einer gewissen Reiselust sind wir uns nicht sehr ähnlich – ich hatte noch nie Anwandlungen, in Kleinasien einzufallen, und meine Überzeugung, dass es ein „genug“ gibt, hat er ganz offensichtlich nicht geteilt…

Also: wer in der Region wohnt, sich nicht scheut, 13 Euro zu investieren und vielleicht auch ein bisschen aus dem Geschichtsunterricht nachholen muss, dem sei die Ausstellung in Rosenheim ans Herz gelegt. Es ist ein angenehmes Nachsitzen, und es ist noch bis zum 3. November möglich.

(Abbildungen: http://www.cais-soas.com/CAIS/Images2/Achaemenid/Persepolis/persepolis_apadana3.jpg

http://www.lokschuppen.de/alexander-der-grosse/ausstellungsfotos.html

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