…wird benutzt, was da ist

Nachdem der Dezember in jeder Hinsicht ein übervoller Monat war, in dem alles im Überfluss auf mich einströmte, nutze ich den Anfang des neuen Jahres zu einem innerlichen Neuanfang. Nach den Einladungen und den damit verbundenen Lebensmittel-Einkaufsorgien geniesse ich es, nur mit einem kleinen Korb das Nötigste an frischen Sachen zu kaufen und mich sonst an die gut gefüllten Vorratsschränke zu halten. Und mich zu fragen, warum gewisse Lebensmittel ihr Verfallsdatum erreicht haben, ohne dass wir Lust darauf hatten. Jetzt wird konsequent verbraucht, was da ist. Auch das in den hinteren Reihen. Der Bestand ist teilweise lustig und regt meine Kreativität an: Spätzle mit Kraut hatten wir noch nie, aber es war gar nicht schlecht. Die Quarkknödel mit eingemachten Heidelbeeren und gerösteten Semmelbröseln waren direkt ein Gedicht, und die Graupensuppe perfekt für unser Dauerfrostwetter.

Mit Büchern, Kleidern, CDs ist es wie mit Lebensmitteln: man hat so viel im Schrank, oft, ohne es zu wissen. Statt einkaufen zu gehen, sollte man öfter die Zeit dazu nutzen, seine Schränke durchzusehen. Ich habe einige Wollsachen in die Reinigung gebracht, damit ich noch was davon habe, so lange es kalt ist. Dann die berühmten Knöpfe angenäht, die einen monatelang davon abhalten, ein bestimmtes Stück anzuziehen. Und ein paar ausgefranste Stellen ausgebessert. So habe ich ohne Einkaufen das Gefühl, eine neue Garderobe zu haben. Und ich habe mir angewöhnt, in die Schule Wolljackets anzuziehen. Ist vielleicht etwas zu fein, andererseits DIE Offenbarung in unserer kalten Burg. Zum ersten Mal seit acht Jahren beklage ich mich abends bei Johannes nicht, dass ich in Mantel und Pulswärmern unterrichtet habe. Dabei hingen die Jackets die ganze Zeit im Schrank (und in der Philharmonie über meiner Stuhllehne, weil es da viel zu warm ist!).

Mein E-Piano, das einige Monate bei zarten Händen verbringen durfte, wird in nächster Zeit zurückkommen – was gut ist, denn dann kann ich gleich morgens um sieben schon mal eine Stunde unhörbares Üben unterbringen, ohne andere zu stören. Es bekommt auch einen neuen Platz, und dafür haben der Gemahl und ich einiges umgeräumt. Was auch gut ist am Jahresanfang. Vor allem, wenn man es zu zweit tut und daran seine Diskussionskultur wieder, nun ja, weiterentwickelt. (Heute musste ich zugeben, dass er recht hatte. Ist aber gar nicht so schwer.) Jetzt steht ein Bücherregal neu in meinem Zimmer, das vorher wo anders war. Dafür musste der Schreibtisch in eine andere Ecke und schaut in eine andere Himmelsrichtung – ein unerwartet neues Lebensgefühl, das gleich Lust macht, sich hinzusetzen und loszulegen. Es ist so leicht, eine neue Perspektive zu erhalten. Warum macht man es nicht öfter?!

Im Regal waren ungefähr zwanzig leere Zentimeter vorgesehen für ausgeliehene Bücher und andere, die ich lesen will. Warum man sie auf dem Bild  nicht erkennen kann, also warum sie schon wieder völlig bewohnt aussehen, ist gruselig und unerklärlich. Ich versuche, dem Vermehrungstrieb unserer Bücher systematisch auf die Schliche zu kommen und habe deshalb im Januar mal mitgerechnet: ich habe sieben Bücher gelesen (fünf davon ausgeliehen – juchu Büchereiausweis!). Ich fürchte, das ist normal für mich. Nicht auszudenken, wie es hier aussehen würde, wenn ich sie alle gekauft hätte.

Manchmal werde ich gefragt, wann ich lese – eigentlich nur abends. Ich sehe halt nicht fern. Erstens ist es unsäglich, zweitens kann ich nicht mit der Fernbedienung umgehen. Seit Oktober hat sich noch mal was geändert. Ein viel zu junger Mann hat viel zu schnell irgendwas installiert und mir eine neue Fernbedienung in die Hand gedrückt. Ich hab noch nie ausprobiert, ob sie überhaupt funktioniert, und der Gemahl kommt eh nie zum Fernsehen. Im Januar hab ich also zwei Abende vor der Kiste verbracht mit vergnüglichen DVDs. An einem Abend war ich in einem Konzert. Eins hab ich selber gegeben, und einmal war ich in einer Lesung (und habe das vorgestellte Buch NICHT gekauft, obwohl es interessant klang!). Und die restlichen Abende habe ich eben gelesen. Bei diesen langen dunklen Abenden kommen da schnell einige Bücher zusammen.

Was ich u.a. gelesen habe: „Oliver Twist“, was sich als unerwartet grausam und generell düster erwiesen hat. Würde ich keiner zarten Seele empfehlen. Und „The Dark Island“ von Vita Sackville-West. Mein Januar-Roman von ihr. Um das Vergnügen auszubreiten, limitiere ich mich auf einen Roman pro Monat und bin leider schon im Jahr 1934 angelangt. Bei allem Respekt: ich würde auch dieses Buch nicht unbedingt empfehlen. Über sehr grosse Strecken merkt man zwar mit Vergnügen, was für eine begabte Schriftstellerin da am Werk ist, und psychologisch wird es zum Schluss zu immer interessanter und beklemmender. Aber es gibt eine unglaublich kitschige Schilderung einer Hochzeitsnacht, in der jemand im Nebenzimmer „Isoldes Liebestod“ auf der Orgel spielt. Hat denn das niemand verhindern können?! Leider ist es letzlich diese unsägliche Szene, die einem im Gedächtnis bleibt. Dann schon lieber ihre früheren Romane!

6 Gedanken zu „…wird benutzt, was da ist

  1. Liebe Martina, das E-Piano sehnt sich schon wieder an seine Ursprungsort zurück. Ich merke es ihm direkt an. Nur das Büsi hat auch ein Gespür für bevorstehende Veränderungen und hat kurzerhand seinen Schlafplatz auf das Klavier verlegt. Das bringt mich zum Nachdenken. Soll ich unserer Katz ein Klavier kaufen, auch wenn ich selber nicht drauf spiele…? Oder soll ich das Büsi manchmal bei dir unterbringen, damit es in den Hörgenuss kommt? Fragen über Fragen… Liebe Grüße,Franziska

  2. Meine Liebe, merkst Du, dass das die zweite Katze innerhalb von zwei Wochen ist, die Du mir diskret andrehen willst?! Ich merk’s schon!
    Du könntest Deine Katzenkinder zum Klavierunterricht anmelden. Es gibt spezielle Katzentarife und Mengenrabatte. In dem Fall würde es mich auch nicht stören, wenn die Schüler in der Stunde einschlafen.
    Liebe Grüsse, Martina

  3. Liebe Martina, da sich unsere Mieze in ihrem Vormittagsschlaf nicht einmal von meinen „Czerny´s Neuen täglichen Übungen“ stören lässt, fürchte ich, daß Katzen wirklich so unmusikalisch sind, wie ich nach den von ihnen aufgeführten Duetten, vulgo Katzenmusik, immer schon befürchtet habe. Deine neueste Geschäftsidee wird daher leider keinen durchschlagenden Erfolg haben, schade, ich könnte mir vor allem dem Gruppenunterricht sehr lebendig vorstellen.
    Olver Twist habe ich wohl vor mehr als 40 Jahren gelesen, zurück blieb eine Erinnerungl an Düsternis, Grausamkeit und Elend, unglaublich, daß Dickens kurz vorher diese liebenswürdigen „Pickwick Papers“ geschrieben hat. Zu vollen Bücherregalen nur folgendes: eigentlich wollte ich zwischen Weihnachten und meinem Geburtstag (gute drei Monate) ZVAB-abstinent sein, aber durch einen winzigen Zufall ist mir das einzige auf dem Weltmarkt erhältiche Exemplar von „Liszt als Lehrer“ in die Hände geraten, wer könnte da kleinliche Vorsätze einhalten!!! Es ist auch nur ein ganz schmaler Band.
    Leider leider leider ist Ms. Bunkles Book ausgelesen, der SpaßproSeite-Faktor ist unschlagbar! Aber es freut sich schon darauf, wenn es wieder neben seinen Geschwistern von Persephone Books stehen darf, ein klein bisschen Platz ist da ja noch.
    Viele Grüße
    Wolfgang

  4. Oh, dieses Liszt-Buch! In so einem Fall muss man natürlich zuschlagen. Ich muss Euch mal wieder besuchen…
    Ja, ich hatte schon so nette Visionen von neuen Wegen im Gruppenunterricht. Hab grad einen Stapel vier- und sechshändiger Literatur bestellt, zum Teil mit Platzwechsel während des Spielens, der dem Bewegungsdrang von jüngeren Schülern entgegen kommt. Wäre sicher ein Erfolg gewesen bei meinen spitzohrigen Schülern.
    Liebe Grüsse! Martina

  5. Ja, komm, die Elisabeth ist auch wieder da, es gibt viel zu erzählen, zu sehen und zu spielen. Die Mieze redet auch immer mehr, allerdings wohl hauptsächlich über essen – darüber hat die Elisabeth aber auch einiges zu sagen.
    Liebe Grüße, Wolfgang

  6. Das glaub ich, da können wir sicher interessante Erfahrungen austauschen. Vor zwanzig Jahren war es wirklich schwer als Vegetarier in Amerika, aber ich denke, das hat sich geändert?
    Gruss an alle, besonders Elisabeth! Martina

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