Auf der Suche nach der verlorenen Zeit…
Können wir zu einem späteren Zeitpunkt etwas nachholen, das wir versäumt haben? Können wir verpasste Lebenszeit nachholen?
Mein eigenes Leben zeigt, dass die Entscheidung für eine Sache immer auch die Entscheidung gegen eine andere ist. Einfach, weil sich manches nicht simultan erleben lässt. Ich habe in der Schule Französisch gelernt, kann aber nicht italienisch sprechen. Ich war noch nie in England, kenne mich aber in Frankreich aus. Wir sind aufs
Land gezogen und geniessen es, jeden Morgen im Grünen und bei Vogelgesang aufzuwachen – aber der Weg nach München ist weit. Unser Leben ist bestimmt davon, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. Manchmal übernimmt es das Schicksal, uns zu diktieren, was wir tun müssen, manchmal können wir selber ein Wörtchen mitreden.
Unseren Kindern geht es nicht anders: manchmal hält eine akute Erkrankung sie davon ab, in die Klavierstunde zu kommen. Manchmal sind es von der Schule auferlegte Aktivitäten wie Wandertag, Schullandheim, Skilager. Manchmal ist es die ganz bewusste und eigene Entscheidung, am Klavierstundentag an einer attraktiveren Veranstaltung teilzunehmen. Wie auch immer: in der Zeit, in der sie die Klavierstunde versäumen, geht für die Kinder das Leben ja weiter – bestenfalls machen sie
wertvolle Erfahrungen. Ist es überhaupt möglich oder sinnvoll, diese bereits erlebte Lebenszeit nochmal erleben zu wollen in Form einer Nachholstunde? Oder muss man akzeptieren, dass man sich aus welchem Grund auch immer für das andere entschieden hat und einfach nicht alles haben kann?
Ich hoffe, Ihnen als zahlenden Eltern kommen meine Überlegungen nicht zu eigennützig vor. Anlass dafür ist, dass ich in den Faschingsferien 17 Nachholstunden zu geben hatte und einfach ins Grübeln gekommen bin. Nachdem ich mich bei Kollegen umgehört habe und auch die Schulordnungen der Musikschulen Rosenheim und Ebersberg studiert habe, bin ich zu folgendem Entschluss gekommen:
Bitte betrachten Sie die Unterrichtsgebühr als Jahresgebühr und nicht als Bezahlung für eine bestimmte Anzahl von Stunden. In Anlehnung an die übliche Praxis werden Klavierstunden, die vom Schüler abgesagt werden, in Zukunft nicht mehr nachgeholt. Sie können gern versuchen, in der betreffenden Woche mit einem anderen Schüler zu tauschen. Die Wochenenden und Ferien will und muss ich in Zukunft freihalten, um Freiraum fürs eigene Üben und Proben mit Kollegen zu gewährleisten.
Sollte ein Schüler länger erkrankt sein, werden die Stunden zurückerstattet.
Ebenfalls, wenn ich wegen Krankheit absagen sollte.
Und bedenken Sie: Sie bezahlen mich dafür, mich eine gewisse Zeit pro Woche musikalisch mit Ihrem Kind zu beschäftigen. Sollte das Kind verhindert sein, hält Sie nichts davon ab, in dieser Zeit selber zu mir zu kommen. Wir können bei einer Tasse Kaffee über den Fortschritt und Pläne für Ihr Kind sprechen, ich kann Ihnen aber auch die ganze Zeit lang etwas vorspielen, was Sie gern hören. Sie können auch Ihre eigenen Eltern oder Geschwister des Schülers zu mir bringen für ein Wunschkonzert oder eine Schnupperstunde – die bezahlte Zeit muss für Sie nicht verloren sein und ich bin ganz flexibel!