Ein Mini-Ausflug ins Salzburger Land, überhaupt nur ein Mini-Ausflug nach Österreich hinein: geschätzte zehn Kilometer hinter Laufen, der Salzach und der Grenze liegt St. Pankraz bei Nussdorf. Die kleine gelbe Barockkirche, die sich in der Höhe eng an den grün bewaldeten Felshang schmiegt, ist eine der Empfehlungen aus den „66 Lieblingsplätzen“, dem Lieblingsreisebuch, das nach der Winterpause jetzt wieder abgestaubt wurde. Schon wenn man durch den gedrungenen Torbogen tritt, versteht man, warum es ein Lieblingsplatz ist: so ein nettes, kleines, geschlossenes Ensemble! Winzig und irgendwie im Puppenformat, obwohl eine ausgewachsene Kirche (oder grosse Kappelle) den Mittelpunkt bildet. Würde man das kleine Torhäuschen mit seinem kleinen Fenster im ersten Stock schliessen, wäre dieses sogenannte Schlössl nur noch aus der Luft zu erreichen. Dabei hätte man nicht das Gefühl, eingeschlossen zu sein, denn die breite Terrasse, die im Buch zu Recht „Balkon“ genannt wird, bietet Platz für viele gediegene Restauranttische. Sie reichen bis kurz vor die Kirchentüre oder schmiegen sich direkt an die Kirchenmauern. Überall, wo es sich anbietet – auf den Kirchenstufen, auf Mäuerchen – ist liebevoll mit diversen Blumentöpfen dekoriert, und im kühlen Salettl standen allerliebste Margeritensträusse auf den Tischen, was aber kaum jemand bemerkte, da jeder den Sonnenschein auf der Terrasse geniessen wollte.
Was für ein süsser, netter Platz, um durchzuatmen. In was für einer Mühle steckt man im Alltag oft drin, in was für einem unmenschlichen Tempo. Und wie wohltuend ist es, einfach mal gar nichts zu tun. Es ist sicher auch phänomenal schön, hier Abend zu essen und den Sonnenuntergang zu geniessen, denn der Blick geht unendlich weit nach Westen. Jetzt war ich vollkommen zufrieden damit, einfach nur dazusitzen, in den blauen Himmel zu starren und durchzuatmen. Den wunderbaren Zustand zu geniessen, absolut nichts mehr zu wollen oder zu suchen oder zu müssen als einfach nur: hier zu sein. (Das sagt sich leicht nach einem Espresso und Pofesen – da ist man erst mal so zufrieden und bedient, dass man wirklich nicht mehr will.) (Pofesen: ein weiterer erfolgreicher Versuch der österreichischen Nachbarn, auf wenigen Quadratzentimetern so viel Zucker und Fett unterzubringen, dass es schon wieder sündhaft wird. Unbedingt essen!) Der Ort strahlt so einen Frieden aus, so eine Ruhe, und ist auf so originelle Weise von der Welt abgeschieden, dass er allein einen Ausflug wert ist. Leicht aber auch mit anderen Ausflügen nach Salzburg oder in die hübschen Salzachstädte etwas nördlicher kombiniert werden kann.
Streng genommen gehört unser anderer Ausflug nicht mehr in die Rubrik „Salzburger Land“, aber ich muss ihn kurz erwähnen, weil er spektakulär schön war und (auch hier) nur ein paar Kilometer hinter der Grenzlinie des Salzburger Landes liegt: der Gosausee gehört schon zu Oberösterreich. Sonst hätte er möglicherweise eine Chance gehabt, ins Buch zu kommen? Denn ich fand ihn sehr besonders und irgendwie magisch. Und so was von menschenleer, dass es ein ganz spezieller Genuss war. Der lange, dunkelgrüne See liegt auf ungefähr tausend Metern und bietet einen grandiosen Blick auf den weissen Dachsteingletscher, der am Ende aufragt. Aber nicht bedrohlich oder so, sondern einfach schön und irgendwie der Welt enthoben. Und der Kontrast von schneebedeckten Berggipfeln und knallgrünen Wiesen voller bunten Blumen war jetzt im Mai besonders reizvoll. So stelle ich mir Kanada vor: überwältigende Natur und kaum Menschen. Wir liefen nur um den Vorderen Gosausee herum (für den Weg zum Hinteren Gosausee waren wir nicht ausgerüstet genug – ich brauch immer Proviant…), aber das reichte schon für herrliche Eindrücke. Besonders spannend wird es an dem Ende, das am Gletscher liegt: das ist die reinste Wassersymphonie. Mal tröpfelt es leicht in durchsichtigen, zarten Vorhängen über grün bemooste Wände, mal gibt es eine flach zum See abfallende Stelle mit breiten Steinen, an der es direkt gurgelt und tost, dann kommt ein munterer schneller kleiner Bach und an einer Stelle ein Brunnen, aus dem man mit den Händen Wasser schöpfen kann. Und voll Entzücken feststellt: es schmeckt exakt wie wenn man als Kind Schnee gegessen hat. Ganz genau so. Dass Schnee oder Schneewasser tatsächlich einen Geschmack haben kann! Ich wollte, ich hätte eine leer Wasserflasche dabei gehabt, um was von dieser Geschmacksexplosion einfangen zu könne und zu gucken, ob es zuhause immer noch so schmeckt. Oder ob die kühle Bergluft und der Anblick der Schneegipfel den Eindruck verstärkt haben.
Mal wieder das Fazit, mit dem ich langsam wohl langweile: zwei Stunden im Auto bringen einen in eine völlig andere Welt, lassen einen den Alltag vergessen und die Seele richtig auslüften. Ein Tagesausflug dieser Art fühlt sich an wie eine Woche Urlaub.