Ursprünglich hatte ich mir vorgenommen, in dieser neuen Stadt jedes Jahr einen neuen attraktiven Ort für unser Sommerkonzert auszuwählen. Vor zwei Jahren genossen wir einen romantischen Abend mit fast südfranzösischem Flair in einem gelben Schlösschen. Letztes Jahr spielten wir, hervorragend bewirtet, in der Schrannne in Wasserburgs historischem Rathaus. Doch dieses Jahr war alles dermassen perfekt, dass ich fast denke, wir sind am Ziel unserer Träume angelangt. Abwechslung ist schön und gut, aber ein hervorragender Flügel, eine richtige Bühne und eine perfekte Organisation im Hintergrund sprechen für sich. Vielleicht sollten wir uns um Variationen im Programm und beim Buffett kümmern und den Rest einfach so vollkommen lassen, wie er diesmal war?
Der Festsaal des Inn-Salzach-Klinikums ist einer der besten Konzertsäle hier, in dem auch regelmässig der Wasserburger Klaviersommer stattfindet. Es war vielleicht etwas vermessen, sich hier mit KlavierschülerInnen einzunisten, aber wo sollen sie es sonst lernen? Und das Klinikum ist absolut aufgeschlossen und entgegenkommend, nimmt einem auf wunderbare Weise sogar die ganze Werbung und den Getränkeausschank ab. Und macht mir meinen Vorsatz, in Zukunft mehr zu delegieren, einfacher…
Die Konzerte sind natürlich auch für die Patienten gedacht – für uns eine wunderbare Art, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Wie ich hörte, können Sonntagnachmittage in der Klinik, wenn keine Therapien sind, sehr lang werden. Und wir waren dankbar für ein so zahlreiches und enthusiastisches Publikum. Nach dem ersten Schock, ehrlich gesagt… Als ich nach unserer Einspielprobe die Tür zum Foyer öffnete und Stimmenraunen und Massen an unbekannten Erwachsenen wahrnahm, dachte ich erst, ich sei im falschen Film, wie sich meine Schüler ausdrücken. Ich hatte mit 40 Zuhörern, also Eltern und Grosseltern, gerechnet. Entsprechend viele Stühle waren aufgebaut. Wir brauchten noch mal so viele und trotzdem sassen manche Leute auf dem Boden oder den Fensterbrettern. Ein anderer Schock war, dass manche dachten, ich würde selber spielen, obwohl das Ereignis klar als Schülerkonzert deklariert war… Aber dann fiel mein Blick aufs Büffett, auf dem ich eine Stunde vorher meine Muffins abgestellt hatte. Auf wundersame Weise hatten sie sich auf der Sommertischdecke vermehrt, wunderhübsch verziert mit Lavendelblüten oder Thymianzweigchen und herrlichen roten Gartenrosen, und diese üppige Fülle, dieses sichtbare Engagement der Eltern beruhigte mich und liess mich spüren: alles wird gut.
Und das wurde es auch! Auch wenn die Programme bei weitem nicht reichten und ich die versprochenen Ankündigungen im Eifer des Gefechts manchmal vergass, wusste doch jeder, wann er dran war. Und ich konnte mich zurücklehnen. Wie immer, glücklicherweise. Ich kann in der Vorbereitung penibel sein und meinen Schülern Wochen vorher schon auf die Pelle rücken – dafür läuft dann am grossen Tag alles wie am Schnürchen. Und ich wusste: wenn ich eine ältere Schülerin bitten würde, drauf zu achten, dass jeder weiss, wann er dran ist, könnte ich rausgehen und das Konzert würde von selber seinen Lauf nehmen. Und ich könnte mich drauf verlassen, dass jeder sein Bestes gibt und sich danach auch ordentlich verbeugt.
Überhaupt, diese ungewohnt professionelle Konzertatmosphäre und der laute und anhaltende Applaus holten aus jedem Schüler noch mal mehr raus. Es wurden Kräfte mobilisiert, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Und jeder spielte so ernsthaft und mit so viel Liebe zur Musik, dass ich einfach glücklich war. Es gibt ja durchaus im Alltag Unterrichtsstunden, bei denen man nicht weiss, ob man gleich den Vorschlag machen soll, die Sache zu beenden, oder noch mal drüber schlafen… Oder Winterwochen, in denen sich alles furchtbar hinzieht und sich nichts mehr zu bewegen scheint. Und dann sieht man auf einmal seine kleine Truppe mit etwas Abstand und merkt: jeder hat sich doch sehr entwickelt in dem Jahr, und jeder weiss, wie er sich auf der Bühne zu verhalten hat, und vor allem: jeder kann auf seinem jeweiligen Niveau ordentlich Klavier spielen. Unwillkürlich kam mir ein seltsames Bild: ich fühlte mich wie eine Grünlilie mit vielen Ablegern. Manche noch ganz zart und klein, manche schon zum Abfallen fertig mit perfekt entwickelten Wurzeln. Es ist einfach schön, sich und seine Werte in seinen SchülerInnen weiterleben zu sehen.
Und auch zu sehen, wie gern sie Musik machen: die zwei Ältesten unterhielten uns beim Umtrunk unaufgefordert und völlig frei mit einer halben Stunde Musik, schnappten sich dann ein Vierhändigheft von mir und legten los mit Boogies… Nach dem Motto: nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Und so wird es auch in den letzten Schulwochen weitergehen!
Liebe Martina, ich wäre gerne dabei gewesen, denn ich hab schon das Riesenplakat am Kreisverkehr gelesen (und hätte fast vergessen, rechtzeitig abzubiegen ;-)!!! Jetzt deinen enthusiastischen Nachbericht zu lesen, lässt erahnen, wie schön der Nachmittag war. Ich gratuliere dir ganz herzlich zu deinen/euren Erfolgen. Einen schönen Endspurt zu den wohlverdienten Ferien wünscht dir Franziska