Septembersonne

Liegt der ganze Sommer vor einem, geht man gedankenlos und fast nachlässig mit seiner Zeit und den ganzen besonderen Gelegenheiten um: der Badeanzug wird gar nicht gross ausgewaschen, weil man sicher ist, ihn morgen wieder zu brauchen. Pfirsiche und Aprikosen sind so alltäglich, dass man kaum drüber nachdenkt. Die Lesestunden auf der Terrasse breiten sich so endlos vor einem aus, dass es nichts macht, wenn man zwischendurch einfach einschläft. Die Armbanduhr liegt seit sechs Wochen da, wo ich sie in den letzten Schultagen abgelegt habe.

Und immer noch ist so ein wunderbarer Sommer, aber die Tatsache, dass ich endlich einen Kalender fürs nächste Jahr gekauft habe – was ich traditionellerweise immer irgendwo auf Reisen tue, um mich dann das ganze Jahr dran zu erinnern – und auch mal wieder einen Blick in den aktuellen geworfen habe, hat mir bewusst gemacht, dass wir an den letzten wirklich warmen Tagen angekommen sind. Oder lieber den vorletzten… Wie viele Barfusstage wird es noch geben? Wie lange kann ich noch das terracottafarbene Leinenkleid tragen, in dem man gefahrlos Tomatensuppe kochen kann? Wie lange kann ich noch Tomaten, die hier gewachsen sind,  für sieben Euro kaufen und mich wundern, wie viele das sind? (Es sind sehr, sehr  viele!) Und so bekommt alles, was ich tue, einen anderen Anstrich. Ich erlebe diese ganzen Schönheiten und Annehmlichkeiten bewusster, koste sie wirklich aus, halte immer wieder inne, um mich zu freuen – sehe aber auch, dass die Sonne tiefer steht und die Schatten im Garten früher kommen. Trotzdem sind es noch wunderbar milde und sternklare Abende und Nächte. Kein Grund zur Melancholie! Eher ganz besonders schöner Sommergenuss.

So wie mein Kurzurlaub in einer wunderbar südlichen, warmen Stadt, an einem glitzernden Fluss gelegen, voll von Renaissancebauten und für meine Begriffe unfassbar intakten ganzen Strassenzügen mit Gründerzeit- und Jugendstilbauten. Die Menschen dort leben in Denkmälern und wissen es möglicherweise gar nicht. Und seltsam, was man danach bedauert: dass ich weder Schloss Eggenberg mit der Alten Galerie noch das Arnold-Schwarzenegger-Museum (!) gesehen habe, lässt mich ruhig schlafen. Aber was mich nachhaltig beschäftigt, ist das Birnen-Schokolade-Tartelette in einer Konditorei, das ich NICHT bestellt habe: ein zierliches Mürbteigtörtchen, völlig mit dunkler Schokolade gefüllt, auf der eine kleine pochierte Birnenhälfte liegt. Eine Kombination, die mich einfach verfolgt…

Und jetzt? Wird die verbleibende Ferienzeit ganz bewusst genutzt. Unser Violinabend im Oktober wird seriös vorbereitet – kein Durchspielen, weil’s so Spass macht, und nicht zwischendurch ein bisschen Rachmaninoff, vorgeblich zum Aufwärmen, sondern: konzentriert pro Tag ein Satz der Brahms-Sonate, und gleich mal an die komplizierten Stellen ran. Gelesen wird auch bewusster: wenn sich eines der Bibliotheksbücher doch als Flop erweist, bekommt es keine zweite Chance. Dafür lese ich langsam und aufmerksam „From the Stage to the Studio“, ein wirklich spannendes und umfassendes Werk übers Unterrichten, um zum Einstimmen vielleicht ein paar neue Ideen zu bekommen.

Und schaue zwischendurch den schlafenden Katzen zu, die die Nachmittage auf der Terrasse auskosten, wie es nur Katzen können, und unseren dieses Jahr leicht degenerierten, weil gar nicht scheuen und sehr tagaktiven Igeln, die es ebenfalls geniessen, ihre Bäuchlein vor dem langen Winterschlaf in die Sonne zu halten. In einer seltsam verdrehten Seitenlage, die mich erst glauben liess, das Tier sei gestorben… Und gucke auf meine lackierten Fussnägel auf der Gartenliege:  wie lange noch barfuss? Wie lange noch Nagellack, den man auch sieht? Jeder Moment ist kostbar.

P.S. ein kleines nachträgliches Foto zum Kommentar… damit mir bewusst wird, warum’s jetzt wieder losgehen muss mit dem Brötchen-Verdienen…

3 Gedanken zu „Septembersonne

  1. Alles Gäste! Eine neue kommt uns nicht ins Haus!! Und unser guter, jetzt einäugiger Kater empfängt alle so freundlich und geduldig, vor allem die beiden kleinen Roten unserer Nachbarn, die ihn ganz schön hernehmen. Aber es macht ihm auch Spass, sich onkelmässig zu kugeln mit ihnen.
    In den letzten Ferientagen gab es wirklich Nachmittage, an denen ich auf der Liege lag, vier Kater und zwei Igel um mich rumwuselten oder sich sonnten und ich mich fragte: in welchem Zoo lebe ich eigentlich?! Und warum sind die alle immer hungrig?

  2. Da ist euer Bärli ja ganz schön gefordert auf seine alten Tage. Ich freu mich jedenfalls, dass es ihm gut geht, wir haben auch in Italien oft an ihn gedacht.

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