Nach acht Wochen Erkältung und Husten, in denen ich nur zwei Tage Unterricht abgesagt habe, lag ich über Weihnachten mit einer Lungenentzündung flach. Jetzt hatte ich genug Zeit, über mein falsch verstandenes Pflichtbewusstsein nachzudenken und mich zu fragen, was wirklich dahinter steckt: die Angst, ein schlechtes Vorbild für meine Schüler zu sein, wenn ich bei jedem Wehwehchen absage, oder das Grausen vor unendlich vielen Nachholstunden oder komplizierten Rücküberweisungen des Honorars.
Es ist wohl eine Kombination aus beidem. Ich erwarte von meinen Schülern ja auch, dass sie sich manchmal zusammenreissen, und um glaubhaft zu sein, muss ich selber das leben, was ich von ihnen verlange: pünktlich sein, vorbereitet sein, selber auftreten und Konzerte spielen, überzeugt davon sein, dass wir Musik unter die Leute bringen müssen, und: eben nicht wegen jeder Kleinigkeit abzusagen. Und vor den Eltern möchte ich auch nicht als diejenige dastehen, die ein paar Mal im Halbjahr absagt oder die Stunden verschiebt.
Und dann ist da das Problem, das alle Selbständigen kennen: kommt man mit Nachholstunden nicht mehr nach (was schnell der Fall ist, da fast jeder Schüler von sich aus auch mal absagen musste), bleibt nur die Rückerstattung, also der Verdienstausfall. Das kann sich schnell summieren und auch ein Grund sein, unvernünftigerweise durchzuhalten. In den letzten Wochen habe ich meinem Körper wirklich Gewalt angetan und mich fühlbar krank zu allen möglichen Veranstaltungen geschleppt. Ich musste bitter dafür bezahlen, indem ich meine liebste Zeit des Jahres nur wie im Nebel mitbekommen habe und die Weihnachtstage fast komplett neben dem geliebten Christbaum verschlafen habe. Das soll nicht mehr vorkommen! In meinem Budget berücksichtige ich, typisch deutsch, das Auto, die Steuer, die Sondertilgung fürs Haus, die Absicherung für eine ferne Zukunft als Rentnerin – doch es gibt keinen Posten, der auf mich und eventuelle ungünstige Lebenslagen in der Gegenwart Rücksicht nimmt. Ein zusätzliches Krankentagegeld würde ungefähr ein Drittel meines kompletten Krankenkassenbeitrags in Anspruch nehmen und bringt ja nichts bei einer zweiwöchigen Erkältung. Also muss ich mich selber kümmern und einfach was ansparen für den berühmten „rainy day“, an dem man aus welchem Grund auch immer nicht in der Lage ist, zu arbeiten.
Zufällig fällt diese Einsicht in die Zeit der allgemeinen guten Vorsätze. Dann kann ich gleich noch hinzufügen, dass ich in Zukunft etwas netter zu meinem Körper sein sollte und nicht stolz darauf, trotz allem immer weiterzukämpfen. Was einen dann umbläst, ist wesentlich unangenehmer als zuzugeben, dass man auch nur ein Mensch ist.
Und noch was habe ich gelernt: auch wenn nicht alles hunderprozentig perfekt vorbereitet war und manches ganz ungewohnt erst in allerletzter Minute fertig wurde – Weihnachten ist doch gekommen, und irgendwie war das, was ich davon mitbekommen habe, doch schön. Das Haus muss nicht noch toller aussehen – ein paar Lichterketten, ein Kranz an der Tür und ein bisschen Dekoration auf dem Kaminsims reichen. Vier Sorten Plätzchen sind mehr als genug. Der Baum ist wunderschön mit sechs roten und zwölf goldenen Kugeln und kleinen Schülergeschenken dran – dieses Jahr waren es viele wunderschöne Origami-Sterne. Der geschenkte Dresdner Stollen schmeckt besser als die sechs, die ich jedes Jahr backe. Die Schüler-Weihnachtsfeier funktionierte auch mit gekauften Lebkuchen und Chips und einem lockereren Programm. Tatsächlich war dieses Weihnachten nicht spürbar schlechter als sonst, obwohl ich mir höchstens 10% des üblichen Vorbereitungsstress machte. Das darf so bleiben!
Die Bilder sind von einem Adventsausflug nach Salzburg (nach dem Motto: Husten in Österreich…). Mir gefällt die schlichte, aber wunderschön frische Dekoration in grün und weiss!